Dieter Kraft
2009 -
Goldgräberstimmung in Kaufdorf |

Die
meisten wussten es schon vorher aus der Presse und dem Internet.
Mancher Autofreak erfuhr es allerdings erst am Abend vorher und
sauste spontan noch in der Nacht mit Schlafsack, Thermoskanne
und Verpflegung los, um das Jahrhundertereignis ja nicht zu
verpassen. (So auch ein Mitglied aus unserem Verein).
Was
war geschehen??
*
* *
Der Schweizer Walter Messerli begann 1933 mit dem Handel von
gebrauchten Autoersatzteilen. Dazu kaufte er ausrangierte PKWs
auf, schlachtete sie teilweise aus und stellte die Karossen auf
den Feldern des elterlichen Bauernhofs ab. Da sich Nachbarn
beschwerten, wurden auf Anordnung der Gemeinde ringsherum als
Sichtschutz Hecken und Bäume gepflanzt.
1975 übernahm der Sohn Franz Messerli den Betrieb und führte
das Unternehmen weiter. Die inzwischen umfangreiche Ansammlung
ausgeschlachteter Fahrzeuge, die teilweise bereits in
verwildertem Pflanzenwuchs versanken, war ein außergewöhnliches
Zeugnis der Schweizer Verkehrsgeschichte, dem sowohl das
Verkehrshaus Luzern als auch das Historische Museum Bern einen
kulturhistorischen Wert attestierten.
Neben
ganz alltäglichen Fahrzeugen der 1940er bis 1960er Jahre waren
auch ausgestorbene Autotypen wie Studebaker, Panhard,
Sunbeam
oder Borgward auf dem Autofriedhof abgestellt, und selbst
Fahrzeuge des Ostblocks wie IFA oder Tatra waren vertreten.
Kaufangebote für einzelne Wracks oder deren zum Teil sehr
wertvolle Ersatzteile wurden meist abgelehnt. Da die Messerlis
das Gelände einzäumten, um die Öffentlichkeit sowie Plünderer
weitgehend auszusperren, blieben die Karosserien und Autoteile
so erhalten wie abgestellt und unterlagen jahrzehntelang nur dem
Einfluss durch Regen und Schnee. |
Ab Frühjahr 2000 wurde aus Umweltschutzgründen die Räumung
des Autofriedhofs amtlich angeordnet. Neben dem Besitzer kämpften
auch Oldtimerfreunde während der fast 100 juristischen
Auseinandersetzungen für den Erhalt des Autofriedhofs, z.B. als
eine Art Freilichtmuseum, und fanden dabei sogar ein
internationales Medienecho. Doch die Gemeinde stimmte dem
Vorhaben nicht zu.
So
versuchte Messerli erst vergeblich, sämtliche Fahrzeuge des
Autofriedhofs en bloc für über 1 Millionen CHF zu
versteigern. Ohne Erfolg. Schließlich wurde eine Auktion
organisiert, bei der am 19.09.2009 die Fahrzeuge einzeln und ohne
Mindestgebot versteigert wurden. Rund zwei Drittel der fast 800
(achthundert) Exemplare wurden für Preise zwischen 50 und 17.000
CHF verkauft. Der Rest wurde entsorgt.
Und so pilgerten wir aus St. Leon ab dem 15.09.2009 mehrmals in
Fahrgemeinschaften in die Schweiz, streiften mit Katalog, Rucksack
und in Gummistiefeln über die wenigen Trampelpfade durch die
Auto-Wälder, quetschten uns zwischen Brombeerhecken und
Rostlauben durch, fotografierten sowohl Autos als auch Bäume, die
aus einem Motorraum gewachsen waren, staunten über die
Vielfalt seltener Exemplare und diskutierten über mögliche
Auktionsgebote. Das war Oldtimer-Grandprix, Ostern, Weihnachten
und Scheunenfund im Quadrat zugleich. Wir überlegten
ernsthaft, zur eigentlichen Auktion wiederzukommen. Uns allen war
bewusst, so ein Ereignis würde sich uns in unserem Leben wohl nie
wieder bieten. |

Zur
Versteigerung waren dann natürlich alle da. Es war
hochgradig interessant und aufregend. Eine riesige
Menschenmenge unter freiem Himmel, von seriösen Herren
bis hin zu urigen Maimarkt-Typen aus halb Europa
lauschten stundenlang dem plärrenden Lautsprecher. Bis
in den hintersten Winkel des Autofriedhofs waren die
Ausrufe zu hören, denn dort waren immer noch etliche
Fans unterwegs, um ihr erhofftes Schnäppchen vorher
noch einmal zu begutachten. Ständig flogen in der
Menschenmenge die Bieterarme in die Höhe, und der
Auktionator spornte die Zuhörer an, für die auf der
großen Leinwand gezeigten Exemplare doch noch ein paar
Fränkli draufzulegen. Auch wir St. Leoner ließen uns
mitreißen, und mancher bot letztlich doch ein wenig
mehr, als er sich eigentlich vorgenommen hatte. Einige
Rostlauben wurden nur gekauft wegen eines seltenen Paars
Rücklichter oder wegen rarer Stoßstangenteile, oder
weil man einen Kühlergrill wieder aufarbeiten wollte.
Auf der Autobahn sinnierte so mancher Heimkehrer, ob man
vielleicht doch mehr hätte bieten sollen bzw. ob der
bezahlte Preis nicht vielleicht zu hoch war. Armin
jedoch war stolz auf seinen erstandenen ausgefallenen
Mercedesmotor, und Peter hat mittlerweile einen fertigen
Riley im Club vorgeführt.
Und der
Rest der 782 rostigen Museumsstücke?? - Der wurde mit
Baggern aus dem Schlamm gehoben und landete brutal in
der Schrottpresse.
(Teilweise
Textübernahmen aus dem einschlägigen
Wikipedia-Artikel).
02.08.2017
Bild
von der Auktion
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(Dieter Kraft, Hans-Jürgen Odenwald)
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