Mächtige
Burgen, museale Schiffe, magische Stätten
Schottlandreise
der Veteranenfreunde
vom
7. bis 12. Mai 2018
Edinburgh
Castle |
Auld
Reekie, die „Alte
Verrauchte“, wird Schottlands Hauptstadt im Volksmund genannt. Den
Namen verdankt Edinburgh den grauen Sandstein-Fassaden der Altstadt, die
über Jahrhunderte vom Rauch der Kohleöfen geschwärzt wurden. In ganz
anderen Farben erlebten wir jedoch die schottische Metropole in der Frühlingssonne
unseres Anreisetages. „Wir“ – das war unsere Reisegruppe,
bestehend aus 24 Vereinsmitgliedern und Gästen, die beschlossen hatten,
nach Birmingham im letzten Jahr in diesem Jahr Schottland als Reiseziel
ins Blickfeld zu nehmen. Direkt vom Flughafen weg peilten wir unseren
ersten Programmpunkt an: die Besichtigung der Royal Yacht Britannia,
die im Hafen von Leith am anderen Ende der Stadt am Pier liegt. Auf
diese Weise wurde schon die Busfahrt zu einer kleinen Stadtrundfahrt:
Von der frühlingsbelebten Einkaufsmeile der Princes Street aus,
der Grenze zwischen Neu- und Altstadt zu Füßen des Castle Rock,
fiel über sprießendes Grün und blühende Bäume hinweg ein erster
Blick auf die riesige Burganlage des Edinburgh Castle, die mächtig
über der Neustadt thront,
und auf die akropolisartig aufragenden Gebäude und Türme der homogen
mittelalterlichen Old Town. Die oft gehörte Bezeichnung „Athen
des Nordens“ für Edinburgh gewann mit einem Male an Sinn.
Nach
der Absolvierung des ersten Programmpunkts bezogen wir am Spätnachmittag
unser Hotel im Osten der Stadt, auf halbem Weg gelegen zwischen dem Holyrood
Palace einerseits (heute offizielle Residenz der Queen in
Schottland), und dem – glückliche Fügung – Sheep Heid Inn andererseits,
dem ältesten Pub der Stadt aus dem 14. Jahrhundert, in das seinerzeit
schon Maria Stuart öfter mal auf einen Sprung vom Holyrood Palace
herübergekommen sein soll. Allein schon unser kulturhistorisches
Interesse machte es uns natürlich zur Pflicht, dieser gastlichen
Stätte den ein oder anderen Besuch abzustatten...
Unser
offizielles Kulturprogramm sah in dieser Woche unter anderem zwei
Schloss- bzw. Burgführungen, zwei Schiffsbesichtigungen sowie – ein
Muss in Schottland – den Besuch einer Whiskybrennerei in den Highlands
vor. Jedesmal, wenn wir im Bus gen Norden fuhren, beeindruckte uns das
weltweit wohl einzigartige Brückenensemble, das den Firth of Forth überspannt:
Einer Fata Morgana gleich tauchen aus dem schottischen Nebel drei
nebeneinander liegende gigantische Brücken unterschiedlicher Bauart
auf: rechts die rot gestrichene Eisenbahnbrücke aus dem
Jahre 1890, bis heute eine der größten Auslegerbrücken der Welt; in
der Mitte die Forth Road Bridge, bei ihrer Einweihung 1964 mit
2500 m Spannweite die größte Hängebrücke Europas, links flankiert
von der 2600 m langen Schrägseilbrücke Queensferry Crossing aus
dem Jahre 2017, einer Autobahnbrücke, die mit 210 m den höchsten Brückenpylon
im Vereinigten Königreich aufweist.
Brücken
über den Firth of Forth
|
In
der Nähe von Perth im schottischen Hochland führte uns ein junger
Schotte (der sich später allerdings als Engländer herausstellte) im
Kilt und mit markantem Zwirbelbärtchen durch die Aberfeldy Whisky
Distillery und somit in die Geheimnisse der Whiskybrennerei ein,
worauf sich in der Whisky-Lounge selbstverständlich eine kleine
Whisky-Verkostung anschloss. Ebenfalls in Perthshire liegt der Scone
Palace, das Schloss der Earls of Mansfield, dessen prächtige Innenräume
wir ziemlich exklusiv besichtigen durften (da wegen eines am nächsten
Tag stattfindenden mittelalterlichen Spektakels eigentlich für den
Publikumsverkehr geschlossen). In Erinnerung bleibt besonders, dass die
mit Kunstexponaten angefüllte langgestreckte Schlossgalerie weiland
beim Besuch von Queen Victoria leergeräumt und von Teppichen befreit
wurde, damit Her Majesty auf dem blankgewienerten Parkettfußboden
Curling spielen konnte (der Curlingstein aus Granit liegt heute noch in
einer Ecke). A propos Stein: Zum historisch bedeutsamen Ort macht Scone
Palace der Umstand, dass in der früheren Abtei auf dem Moot Hill der
magische Stone of Destiny aufbewahrt wurde, auf dem die
schottischen Könige gekrönt wurden. Seitdem hat er eine wechselvolle
Geschichte hinter sich: Im 13. Jahrhundert von den Engländern nach
London gebracht und in Westminster unter dem Krönungsthron der
englischen Könige eingebaut, wurde er 1950 von schottischen Studenten
gestohlen und nach Schottland zurückgeholt. Bei dieser Aktion zerbrach
er unglücklicherweise in zwei Teile. Heimlich repariert, danach von der
Polizei entdeckt, kam er wieder nach London. 1996 gab man ihn in einer
feierlichen Zeremonie den Schotten zurück, seitdem wird der Stein im Edinburgh
Castle verwahrt. Immerhin kann man sich auf die originalgetreue
Kopie im weitläufigen Park des Scone Palace in Gesellschaft von
radschlagenden Pfauen auch als Normalsterblicher setzen und sich ein
kleines bisschen wie ein gekröntes Haupt fühlen, während man sich ablichten
lässt.
Am
Scott Monument |
Vom
Durchschnittsmenschen wieder zu den Royals, und zwar auf ihr Schiff:
Die
Royal Yacht Britannia liegt fest vertäut im Hafen von Leith; die
verschiedenen Decks sind nach Durchquerung einer Einkaufsmall nur von
einem externen Treppenhaus zugänglich. Man kann das Schiff also von der
Landseite her kaum in seiner Gesamtheit in den Blick nehmen. Trotzdem
bietet es natürlich Superlative: 1953 vom Stapel gelaufen und Anfang
1954 in Dienst gestellt, beförderte die Britannia die Mitglieder
des britischen Königshauses zu annähernd 700 Besuchen im Ausland;
Prinz Charles und Lady Di verbrachten auf der Jacht ihre Flitterwochen;
1986 wurden auf ihr aber auch 1000 Flüchtlinge des jemenitischen Bürgerkriegs
evakuiert. 1997 wurde das Schiff wegen der exorbitanten Betriebskosten
außer Dienst gestellt.
Auf
dem Oberdeck kann man die Räumlichkeiten der königlichen Familie
besichtigen: Königin und Prinzgemahl hatten jeweils eigene Schlafzimmer
und Sitting Rooms; eine große Veranda und das Sonnendeck waren
profanen Blicken vom Vorderschiff aus entzogen. Ein Highlight: Der Rolls
Royce Phantom V in der Glasgarage, der der Queen für Landbesuche
zur Verfügung stand. Im Hauptdeck liegt der große Dining Room,
der die Großen der Welt als Gäste
gesehen hat und an dessen Wänden wertvolle Gastgeschenke aus
allen Herren Ländern ausgestellt sind. Der Saal kann heute für
Festivitäten aller Art angemietet werden. Und so geht der
Besichtigungsgang fort bis in den Bauch des Schiffes, zu den engen und
spartanisch eingerichteten Kabinen und Aufenthaltsräumen des
Schiffspersonals, den Werkstätten und Betriebsräumen und schließlich
bis hinunter zum Maschinenraum.
Her
Majesty's Yacht Britannia |
Unsere
zweite Schiffsbesichtigung konnte gegensätzlicher nicht sein: Wandelte
man an Bord der Britannia auf königlichen Spuren und zumindest
teilweise in einer Atmosphäre des Luxus und moderner Technik, so spürte
man auf den Planken der Discovery in Dundee etwas vom Hauch
heroischer und entbehrungsreicher Entdeckungsgeschichte des vorletzten
und letzten Jahrhunderts. Auf diesem Expeditionsschiff hatte der
englische Nationalheld Robert Falcon Scott, der 1912 so tragisch beim
Wettlauf zum Südpol zu spät und in der Folge ums Leben kam, seine
ersten Expeditionen in die Antarktis unternommen. Die Discovery,
1901 vom Stapel gelaufen, war das letzte hölzerne Dreimastschiff, das
auf den britischen Inseln gebaut wurde. Die beengten Verhältnisse an
Bord und die Dokumentation im kleinen, aber feinen Museum nebenan nötigen
einem Respekt vor der Leistung der Männer ab, die bei der ersten
Polarexpedition mit ihrem Schiff festfroren und zwei Polarwinter im
ewigen Eis überstehen mussten.
The
Kelpies
|
Weitere
Attraktionen erwarteten uns am Union Canal in Falkirk in Gestalt
zweier gigantischer Skulpturen und eines in der Welt einzigartigen
Schiffshebewerks. The Kelpies sind zwei jeweils 30 m hohe
Stahlgebilde in Form eines Pferdekopfs, die, wie der Name schon sagt
Kelpien darstellen, Wassergeister in Pferdegestalt aus der keltischen
Mythologie. Das 2002 eröffnete Falkirk Wheel ersetzte eine ursprüngliche
Schleusentreppe von 11 Schleusen. Seine Konstruktion in der Art eines
Riesenrads mit zwei gegenüber liegenden Gondeln ermöglicht es, ein
Boot in der einen Gondel durch das Gegengewicht der mit Wasser gefüllten
Gondel auf der anderen Seite ohne wesentliche Antriebskräfte über den
Höhenunterschied von 24 Metern zu heben – ein wahrhaft faszinierender
Anblick.
Zwischendurch
stand uns der Sinn nach einem Abstecher Richtung Nordengland in die
geschichtlich interessante und im Mittelalter zwischen Schottland und
England umstrittene Region Northumbria. In beherrschender Lage
unmittelbar am weißen Sandstrand und umgeben von einer Dünenlandschaft
erhebt sich die kolossale, im Kern normannische Anlage von Bamburgh
Castle. Auf der meerabgewandten Seite steht ihre Silhouette
riesenhaft über den Häusern des Dörfchens gleichen Namens. Was
Wunder, dass sie seit den 50er-Jahren immer wieder als Kulisse für
Ritter- und Fantasy-Filme diente; am Traumstrand von Bamburgh Castle
haben schon Elizabeth Taylor und Richard Burton gedreht. Auch die Innenräume
der Anlage, die wir auf eigene Faust erkunden konnten, sind absolut
sehenswert.
Bamburgh
Castle
|
Von
den Zinnen der Burg kann man in der Ferne die Insel Lindisfarne
erkennen, eine der kulturhistorisch bedeutsamen Orte Europas. Die Abtei
auf Holy Island, wie die Insel auch heißt, war im frühen
Mittelalter Wallfahrtsort und Zentrum keltischer Klosterkultur; von hier
aus nahm die Christianisierung Englands durch iro-schottische Mönche
ihren Anfang. Der Wikingerüberfall auf das Kloster im Jahre 793
markiert den Beginn der Wikingerzeit. Heute stehen in romantischer Lage
am Meer nur noch die – gleichwohl beeindruckenden – Ruinen der
Abtei.
Unser
vorletzter Tag gehörte vor allem dem Besuch von St Andrews, der
malerisch an der Küste gelegenen Kleinstadt, bekannt vor allem in
zweierlei Hinsicht: zum einen als Home of Golf – wir parkten am
Old Course beim elitären Royal and Ancient Golf Club
direkt am Meer, wo man angesichts der ständigen Windböen den Golfsport
wohl als wahre Kunst ansehen muss. Zum anderen haben sich Kate und
William an der Univerity of St Andrews, der ältesten Universität
Schottlands, kennen gelernt. Das Northpoint Cafe an der Hauptstraße
wirbt heute noch im Schaufenster mit dem Slogan: „Where Kate met
Wills“ und klein und in Klammern darunter: „(for coffee!)“ Für
Kulturbeflissene weit eindrucksvoller sind die Ruinen der Kathedrale,
deren einst riesige Ausmaße noch heute zu erahnen sind. Sie war die
Heimstätte des Andreasschreins mit den Reliquien des Apostels Andreas,
der der Stadt als Wallfahrtsort den Namen gab. Seit dem 16. Jahrhundert
zerfiel im Zuge der Reformation die Anlage. Der Dreiklang: Lage am Meer,
Friedhof mit Hunderten antiker Grabsteine und Türme, die zwischen
zerfallenen Arkadenbogen aufragen, könnte in der Gesamtwirkung
romantischer nicht sein.
Blick
auf die Stadt von Arthur's Seat
|
Ein
herrlicher Frühlingstag blieb zur Erkundung der schottischen
Hauptstadt. Unser Busfahrer Alexander, ein knorriger Schotte, dessen
Idiom nur Rita (oft nur nach mehrmaligem Nachfragen) verstand, fuhr uns
an den nahen Strand der Stadt, sodann steil hoch auf den pittoresken
Hausberg Arthur’s Seat, dessen ginsterbewachsenen gelbblühenden
Hänge vom tiefen Blau des Himmels abstachen. Von hier oben hatte man
eine fantastische Aussicht auf die sich zu unseren Füßen ausbreitende
Halbmillionen-Stadt mit ihren Kuppeln und Türmen. Bis zum Firth of
Forth und zu den südlichen Highlands schweifte der Blick. Sodann
kutschierte Alexander uns mitten hinein in die Altstadt, vorbei am Elephant
House Cafe, wo J. K. Rowling den Anfang ihres Harry Potter
schrieb, vorbei auch am Denkmal für Greyfriars Bobby, das
sagenhaft treue Hündchen, das 14 Jahre lang das Grab seines Herrchens
auf dem Friedhof der Greyfriars Kirk nur zum Fressen verließ.
Anschließend
hatte jedes Pärchen oder Grüppchen Gelegenheit, die Stadt auf eigene
Faust zu erkunden. Auf der Royal Mile, die sich vom Parlament bis
zum Schloss zieht, hatte man Mühe, zwischen Unmengen von Touristen und
Einheimischen, Straßenkünstlern und Dudelsackpfeifern durchzukommen.
Cafés, Restaurants, Geschäfte, Museen und Kirchen luden zum Flanieren,
Einkehren und Besichtigen ein. Absolut sehenswert dabei St Gile’s
Cathedral mit ihrem charakteristischen kronenartigen Turmabschluss
und dem wunderschönen Innenraum. Verwunschene Gassen, steile Treppen
und entzückende Winkel luden zum Fotografieren, belebte Parkanlagen und
Rasenflächen zum Verweilen ein. Im Übrigen munkelt man, ein Mitglied
unserer Gruppe habe sich sogar auf das berüchtigte Nationalgericht der
Schotten, Haggis mit Whiskey-Sauce, eingelassen. Die
Schafsinnereien sollen ausgezeichnet geschmeckt haben. Wer’s mag...
Nach
Stunden traf man sich wieder beim neugotischen Scott Monument,
das seit 1844 zur Erinnerung an den großen Sohn der Stadt, den Begründer
des historischen Romans, Sir Walter Scott, 61 m hoch über der Princes
Street aufragt. Es ist das größte und höchste Denkmal, das je für
einen Schriftsteller errichtet wurde. Ein letzter Superlativ, und ab
ging’s zum Flughafen!
Zum
gutenSchluss: Schön war’s wieder! Ein herzliches Dankeschön geht an unsere
Vereinskameraden Rita und Fred, die als Planer, Organisatoren, Führer
und Dolmetscher vor und auf der Reise wieder Hervorragendes leisteten.
Wir freuen uns schon auf das nächste Mal mit Euch!
(Veröffentlicht
in den Gemeindenachrichten St. Leon-Rot vom 25. Mai 2018)
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