Auf
romantischen Strassen unterwegs
Bustour
der Veteranenfreunde durchs bayerische Alpenvorland
(17.
- 20. September 2018)
Es
gibt wohl wenige Landstriche, die so vielfältig sind und so
viel zu bieten haben wie das Voralpenland um Füssen. Hier
kommen Liebhaber der Natur genauso auf ihre Kosten wie Freunde
von Kunst, Kultur und bayerischer Lebensart. Trennen lassen sich
im östlichen Allgäu die diesbezüglichen Präferenzen sowieso
nicht, liegen doch Schlösser, Kirchen und Biergärten,
eingebettet in idyllischer Natur, oft in unmittelbarer
Nachbarschaft.
Der
1. Vorsitzende unseres Vereins hatte also mit Bedacht Füssen,
den südlichen Endpunkt der Romantischen Straße, zum
Standquartier unserer viertägigen September-Bustour
erkoren. Unsere Unterkunft war ein schön über dem Hopfensee
gelegenes Landhotel, von dessen schattiger Terrasse der Blick
auf Neuschwanstein und die eindrucksvolle Kulisse der Füssener
Berge fiel.

Blick
von der Hotelterrasse auf den Säuling, Füssens Hausberg
(Foto: Willi) |
Den
gastrokulturellen Leitakzent für die folgenden Tage setzte
schon auf der Hinfahrt die Mittagspause in Günzburg. Zur
Leitkultur der Bayern und der bayerischen Schwaben gehört
bekanntlich die möglichst vor dem Zwölf-Uhr-Läuten zu
verzehrende Weißwurst samt Brezel und Weißbier. Der gute
Wille, uns der einheimischen Sitte anzupassen, erhielt
allerdings einen kleinen Dämpfer dadurch, dass unserem Gasthaus
in der Günzburger Fußgängerzone erstens Brezn nicht zu Gebote
standen, sondern nur Semmeln; dass zweitens angesichts unseres
vielköpfigen Ansturms die junge Bedienung in Panik geriet
und dass drittens überhaupt die Weißwürste ausgingen. Na ja,
an Weißbier fehlte es jedenfalls nicht...
Auf
der ganzen Fahrt strukturierten jedenfalls unsere
Biergartenbesuche die Tage aufs schönste. In Erinnerung dürften
der lauschige Biergarten der Ettaler Mühle bleiben (wo unsere
Gruppe wohl einen Großteil des Steinpilzvorrats verzehrte), und
ganz besonders der wunderschön am Wasser gelegene Biergarten in
Uffing am Staffelsee. Unter schattigen alten Bäumen an einem Spätsommernachmittag
müßig den Segelbooten und dem Spiel des Lichts auf der
Wasseroberfläche zuzuschauen, im Hintergrund die Berge im
Sonnenglast – und vor sich einen großen Teller
mit Kartoffelsalat samt gegrillter Lachsforelle und eine Maß:
Was kann erquicklicher sein? So erquicklich wenigstens, dass wir
unseren Aufenthalt mit dem Einverständnis unseres Busfahrers außerplanmäßig
eine Stunde verlängerten. Wie sagte unser Reiseleiter Edmund:
Man muss im Urlaub auch mal zu sich selber kommen.
Ein
kulturelles Muss für einen Oldtimerverein, der etwas auf sich hält,
ist natürlich der Besuch eines Automuseums. Auf der Hinfahrt
legten wir also einen Stopp in Gundelfingen ein, der sich für
Veteranenfreunde absolut lohnte: Jürgen Mayrs privates Museum
bietet seltene Gefährte mit klangvollen Namen wie Delage, Unic,
Talbot oder Hispano Suiza. Bereits im Alter von 20 Jahren zog es
den Sammler auf Schrottplätze in ganz Europa. Von dort brachte
er rostige Oldtimer mit, schraubte und bastelte nächtelang nach
Feierabend, bis die ehemals herrschaftlichen Automobile im Glanz
früherer Tage erstrahlten. Einige Exemplare seiner Sammlung
sind die einzigen noch erhaltenen ihres Typs - etwa der weiße
Unic, den er seinerzeit für ganze 65 Francs aus Frankreich
holte. Traktoren, Schlepper und Lastwagen rundeten die
sehenswerte Ausstellung ab.

(Foto: Willi) |
Ess-
bzw. Mobilitäts-Kultur sind das eine, Kunst und Kunstgeschichte das
andere. Und Höhepunkte der Kunsthistorie gab es reichlich zu
bestaunen, etwa die barocke Prachtentfaltung im Innenraum der
Stadtpfarrkirchen von Günzburg (auf der Hinfahrt) oder von
Landsberg am Lech (auf der Rückfahrt). Unübertroffen natürlich
die glanzvolle Rokoko-Ausstattung der Wieskirche bei Steingaden,
nicht umsonst Weltkulturerbe der UNESCO. Während des einzigen
Regenschauers auf unserer Fahrt nahm uns die „Wallfahrtskirche
zum Gegeißelten Heiland“ schützend auf und beschenkte uns
dabei noch mit einer ausgezeichneten Führung (eigentlich für
eine österreichische Gruppe bestimmt), die sehr unterhaltsam über
den Erbauer Dominikus Zimmermann, die Baugeschichte und die
heilsgeschichtliche Bedeutung der Fresken im Altarraum und an
der Kuppeldecke informierte. Im Zuge der Besichtigung der
Benediktinerabtei Ettal und ihrer großartigen kuppelgekrönten
Klosterkirche ließen sich geistige Einkehr mit profanem
Einkehren aufs trefflichste verknüpfen: Die Schaukäserei des
Klosters lud zu Kaffee und Käsekuchen, das Bräustüberl der
Klosterbrauerei zum Klosterbier.

Ein
Teil der Reisegruppe vor Schloss Linderhof (Foto: Helga) |
In
Murnau am Staffelsee führte uns ein herrlicher Spaziergang am Münter-Haus
vorbei. Hier verlebten vor hundert Jahren Gabriele Münter und
Wassily Kandinsky die Sommermonate. Malerkollegen wie Alexej von
Jawlensky, Marianne von Werefkin, Franz Marc gingen ein und aus
oder kamen zu Besuch ins "Russenhaus". Eine herrliche,
1870 angelegte Eichenallee geleitet zum Nordrand des Murnauer
Moos, des bedeutendsten und ursprünglichsten Moorgebiets des nördlichen
Alpenvorlandes. Dort steht das barocke Ramsachkircherl St.
Georg, der Legende nach das älteste Gotteshaus der Region, als
Ahn aller Kirchen im Volksmund „’s Ähndl“ genannt.
Wanderung und Kunstfrömmigkeit machten Durst – gleich nebenan
lag natürlich wie bestellt ein Biergarten (und was für ein schöner).
Der
weltliche Ahnherr des bayerischen Kunsttourismus ist natürlich
Ludwig II., der „Kini“. Um seine Schlösser kommt man,
wenn man in Füssen weilt, nicht herum. Leider sagt sich das
aber auch ungefähr die Hälfte der Einwohner Ostasiens und des
Mittleren Westens der USA. Nichts gegen Tourismus, aber was sich
um die Mittagszeit zu Füßen von Neuschwanstein und
Hohenschwangau abspielt, spottet jeder Beschreibung. Edmund
hatte zum Glück vorausschauend frühzeitig für die Karten-
bzw. Führungsreservierung gesorgt. Der Großteil unserer Gruppe
ließ sich also nach Neuschwanstein hochkutschieren und
machte die Führung mit. Ein kleinerer Teil war bereits an der
Talstation der Tegelbergbahn ausgestiegen und betrachtete die
Schlösser und die Füssener Seenplatte von hoch oben, und zwei
Individualisten wanderten, den Trubel hinter sich lassend, um
den eisgrünen Spiegel des Alpsees herum. Aus einiger Entfernung
machten sich die Schlösser richtig gut.

Der
Maurische Kiosk im Schlosspark von Linderhof (Foto:
Willi) |
Etwas
geruhsamer ging es im weitläufigen Park von Schloss Linderhof
bei Ettal zu. Der Rokokobau, inmitten der Einsamkeit der
Ammergauer Berge gelegen, ist das kleinste der drei Schlösser
des Märchenkönigs und das einzige, dessen Vollendung er noch
erlebt hat. Nicht verwunderlich, dass Linderhof der Ort war, an
dem er mit Abstand am liebsten und häufigsten verweilte. Von
der Höhe der Terrassenanlage, die ein kleiner Rundtempel der
Venus krönt, hat man den besten Blick auf das Schlösschen mit
dem großen Bassin davor, aus dem eine 22 m hohe Fontäne schießt.
Bei unserem Besuch beeinträchtigten leider Bauarbeiten an der
großen Kaskade hinter dem Schloss etwas den Gesamteindruck.
Einsam im Park liegen weitere kleine Gebäude, z. B. der
Maurische Kiosk im orientalischen Stil, der sich tatsächlich
wie im Märchen in das Alpenambiente einfügt.

Staffelsee
in der Spätnachmittagssonne (Foto: Willi) |
Park
ist das Stichwort für die Natur des Voralpenlands. Eine auf
ihre Art großartige Landschaft, die so ziemlich alle
Elemente und Farben in sich vereint, die man mit Natur
verbindet; es kommt ja nicht von ungefähr, dass diese Natur die
Maler anzog. Grundton ist auch nach einem Jahrhundertsommer noch
ein sattes Grün. Grasgrüne Wiesen, auf denen friedlich Kühe
weiden; smaragdene Seen, kühle Bergwälder, sanfte Kuppen,
blauer Himmel mit weißen Wölkchen, in die Landschaft
gesprenkelte propere Dörfer, die traumhafte blaue Kulisse
der Alpenberge als bergender Horizont – alles
wohlgeordnet, nahezu paradiesisch. Die sehenswerte Altstadt von
Füssen z.B. schmiegt sich geradezu ein in die
landschaftliche Umarmung von Lech, Seen und Bergen. Nicht nur im
"Blauen Land" rund um Murnau, sondern im ganzen
Voralpenland gehen intakte Natur, Kunst und Kultur die von
den Expressionisten so geschätzte einzigartige Verbindung ein.
All
das also nahmen wir in vier Tagen auf. Das ausgewogene
Programm und das sagenhafte Glück mit dem Wetter machten
zufrieden und froh. Die Gruppenchemie stimmte und auch die
gesellige Interaktion kam gewiss nicht zu kurz (Stichwort
Biergarten!). Unser herzlicher Dank und ein dickes Lob gebühren
Edmund Schmitt, der die Reise perfekt geplant und vorbereitet
hatte. Sollte das wirklich die letzte von ihm organisierte
Vereinstour gewesen sein? Man möchte ihm mit einem leicht
abgewandelten Filmzitat zurufen: „Mach’s noch einmal,
Edmund!“
-vk
(Veröffentlicht
in den Gemeindenachrichten St. Leon-Rot vom 27.09.2018)
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